Gedanken zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus - Teil II
Als am 8. Mai 1945 Hitlerdeutschland bedingungslos kapitulieren musste und die Waffen endlich schwiegen, hatte der Zweite Weltkrieg mehr als 60 Millionen Menschen das Leben gekostet. Die Hauptlast dieses Waffenganges hatte die UdSSR zu tragen. Sie zahlte für den Sieg über den Faschismus einen unglaublich hohen Preis. Fast 27 Millionen Bürger und Bürgerinnen des Landes verloren ihr Leben, davon 15,2 Millionen zivile Verluste durch Ermordung, Folter, Zwangsarbeit, Hunger, Krankheiten und 11,4 Millionen Soldaten durch Kämpfe, Tod nach Verwundung und in deutscher Gefangenschaft. 2,8 Mio. sowjetische Männer, Frauen und Kinder wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert.
Die Aufwendungen der Sowjetunion allein für militärische Zwecke beliefen sich umgerechnet auf 128 Mrd. US-Dollar. Hinzu kamen die im Zeitraum 1941 bis 1944 für die Versorgung des Deutschen Reiches abtransportierten Güter wie 9,293 Mio. t Getreide, 3,282 Mio. t Kartoffeln, 2,508 Mio. t Heu, 0,581 Mio. t Fleisch, 0,62 Mio. t Fett, 0,503 Mio. t Obst u. Gemüse, 0,401 Mio. t Zucker. Hunderttausende Tonnen Mangan, Eisenerz, Schwefelkies, Rohstahl und Steinkohle hielten große Teile der deutschen Rüstungsproduktion am Laufen. Selbst Jahrzehnte nach dem Krieg beeinträchtigten dessen Folgen das Leben der Menschen in unvorstellbarer Weise. 1 710 Städte und etwa 70 000 Dörfer, die in Schutt und Asche lagen, mussten wieder aufgebaut werden. Von 1946 bis 1948 starben zwei Millionen Sowjetbürger an Hunger. Zwei Millionen Invaliden, Krüppel und Obdachlose suchten ein Dach über dem Kopf. Insgesamt verlor die UdSSR durch den Krieg 30 Prozent ihres gesamten nationalen Reichtums.
Wen wundert, dass diese unfassbaren Verbrechen Hitlerdeutschlands, gestützt von seinen Satellitenstaaten sowie der Wlassow-Armee und den ukrainischen Nationalisten Banderas Wut und Hass unter den Soldaten der Roten Armee hervorriefen? Nach vier Jahren brutalsten Krieges gegen ihr Land trafen sie auf deutschem Boden auf ansehnliche Bauernhöfe, elegante Häuser und auf gut erhaltene Straßen und Autobahnen. Selbst die einfachen Deutschen waren wohlgenährt und gut gekleidet. Alle Befehle Stalins und seiner Marschälle konnten den Rachegelüsten in den Einheiten beim Übertreten der deutschen Grenze nur teilweise Einhalt gebieten. Ja, Vergewaltigungen, Diebstähle, Morde und andere Gräueltaten gab es und sie waren ein unentschuldbarer Schandfleck auf den Uniformen der Roten Armee, einer Armee, die nicht aus freien Stücken nach Deutschland kam, sondern die Last auf sich nahm, auch das deutsche Volk vom Faschismus zu befreien.
Angesichts der Entwicklungen in Europa in den 1930er Jahren und insbesondere der sich daraus ergebenden kriegerischen Konsequenzen zog die Sowjetunion eine bis in die Gegenwart gültige Schlussfolgerung: Nie wieder darf das Land in eine Situation geraten wie am 22. Juni 1941, eine Situation, in der das Vertrauen in Verträge und deren Unterzeichner größer war als die Furcht vor Untreue und Verrat. Nur wer die bitteren Erfahrungen voller Enttäuschungen und Leid des Landes begreift, hat eine Vorstellung davon, wie tief verwurzelt das Kriegstrauma in der Sowjetuinion bis in die Gegenwart hinein ist. Der versteht sehr wohl den russischen Dichter Jewgenij Jewtuschenko, wenn dieser rhetorisch fragt: „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ Der widersetzt sich der Lüge von der angeblichen Aggressivität Russlands, die die Pseudobegründung für die Hochrüstung in der BRD liefert. Der widerspricht auch der phrasenhaften Propaganda, die der Russischen Föderation eine Alleinschuld am Ukraine-Krieg zuweist. Es ist hierzulande fast unmöglich geworden, über die Missachtung russischer Sicherheitsinteressen zu sprechen, die diesem Ereignis vorausging.
Nein, die Herrschenden in Deutschland haben nichts gelernt aus der Geschichte. Im Gegenteil. Sie bedienen sich der gleichen Sprache wie einst, nämlich dass Russland erledigt und die deutsche Armee kriegstüchtig gemacht werden müssen. Die Ideologie der Russophobie wird auf eine zutiefst unheilvolle und gefährliche Art instrumentalisiert und befeuert, so dass sie bereits in Hysterie übergeht und zu einem festen Argument für die Erzielung von Maximalprofiten geworden ist. Mit Unsummen wird die Militarisierung des Landes vorangetrieben. Die Rüstungskonzerne wie Rheinmetall und deren Aktionäre wie BlackRock Inc. oder Société Générale S.A. sind höchst zufrieden. Die deutschen Mütter aber werden aufgefordert, ihre Söhne in den Krieg zu schicken. Das Datum haben die Kriegstreiber hierzulande für sich bereits ausgemacht. Es ist das Jahr 2029, d. h. genau wie schon einmal in vier Jahren.
Es bleibt das Verdienst des einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die Deutschen zu ermahnen, nicht die Augen vor der Vergangenheit zu verschließen, sondern mit offenen Sinnen die Gegenwart zu beurteilen. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.
Wie recht hatte er doch, wenn wir auf die deutsche Wirklichkeit blicken. 80 Jahre nach der Befreiung erleben wir primitivsten Russenhass und einen wachsenden Geschichtsrevisionismus. Davon zeugen das Schänden von Ehrenmalen für die gefallenen Rotarmisten, die Untersagung von sowjetischen Symbolen an den Ehrengräbern und die die Unterstützung von Ablegern der faschistischen „Asow“-Brigade mit dem Wolfangelsymbol, dem ursprünglichen Truppenabzeichen der SS-Panzerdivision „Das Reich“. Statt Demut und Empathie für das unendliche Leid zu zeigen, welches unser Land dem sowjetischen Volk zufügte, empfiehlt das deutsche Auswärtige Amt unter Frau Baerbock im Zusammenhang mit Gedenkveranstaltungen zum 8. Mai Vertretern Russlands und Weißrusslands sowohl die Einladung zur Teilnahme als auch den Raum für ihr Gedenken zu verweigern.
Ich schäme mich für eine solche geschichtsvergessene, an Hass grenzende Haltung, die nicht zu entschuldigen ist. Für mich waren und bleiben die Soldaten der Roten Armee Helden, die das Wertvollste, ihr Leben für die Befreiung nicht nur ihres eigenen Landes hergaben. Ich gedenke ihrer voller Hochachtung und das nicht nur am 8. Mai. Mit Blick auf die deutsche Gegenwart kann ich nur den Worten des berühmten sowjetischen Heerführers Georgi Shukow aus dem Jahr 1945 zustimmen: „Wir haben sie vom Faschismus befreit, das werden sie uns nie verzeihen.“
Näheres zum Geschehen um den 8. Mai 1945 in Rehfelde, Werder und Zinndorf in:
Erika und Gerhard Schwarz. Auf dem Weg nach Berlin. Kriegstagebücher der Roten Armee berichten.
Gerhard Schwarz
Bild zur Meldung: Denkmal Müncheberg
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