Atomkraft – Fluch oder Segen

17. 08. 2022

Nach dem Erscheinen der Kolumne vom Sonntag, dem 14.August 2022 erhielten wir folgenden Beitrag unseres Lesers Eckhardt Schlenker, den wir hiermit im Original und ohne jeglichen Kommentar veröffentlichen.

Kernfusion vs. Kernspaltung

In Hiroshima und Nagasaki gedenkt man der Opfer der US-amerikanischen Atombombenabwürfe  vor 77 Jahren. Tschernobyl und Fukushima erinnern an die Gefahren auch bei der „friedlichen Nutzung“ der Kernspaltung. In Parlamenten und Medien streiten Volksvertreter über die Weiternutzung von Kernkraftwerken oder gar über den realen  Einsatz von Kernwaffen. In Saporoshje liegt das größte AKW Europas unter Beschuss. Die Spaltung schwerer Atomkerne zur Energiegewinnung und ihre radioaktiven Restprodukte – ein Fluch noch für Generationen der Erdbewohner?

Dabei gibt es eine Alternative - die Kernfusion. Den Physikern lange bekannt, als Wasserstoffbombe probiert, ist die gesteuerte thermonukleare Reaktion allerdings schwer zu machen. Seit den 1960er Jahren werden verschieden Ansätze zur Erfüllung der Bedingungen für enorme Temperatur, Druck und Dichte für eine kontrollierte Reaktion und die  Schaffung eines Fusionskraftwerkes verfolgt. Die Forschung konzentrierte sich dabei hauptsächlich auf zwei Ansätze, Tokamak und Stellarator, beide beruhen auf der Technik des magnetischen Einschlusses. Wenige Gramm eines Deuterium-Tritium-Gasgemisches werden in ein luftleeres, viele Kubikmeter großes, torusförmiges Behältnis eingebracht und auf über 100 Millionen Grad erhitzt. Bei diesen Temperaturen sind Elektronen und Atomkerne voneinander getrennt und bilden ein elektrisch leitendes Plasma. Um die torusförmige Plasmakammer sind supraleitende Elektromagnete angeordnet, die ein Magnetfeld von bis zu 10 Tesla Stärke erzeugen. Durch dieses Magnetfeld wird das Plasma in der Kammer so eingeschlossen, dass es die Wände nicht berührt. Bei einem Kontakt mit der Wand würde das Plasma sofort auskühlen und die Reaktion würde zusammenbrechen. Die Teilchendichte entspricht dabei einem technischen Vakuum. Beim Zusammenstoß der schnellen Atomkerne werden  energiereiche Neutronen freigesetzt. Die Neutronen geben ihre Energie im Außenmantel als Wärme ab, die zur Stromerzeugung genutzt werden kann.

Entsprechen einer Presseinformation des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) vom
9. August 2022 wurde der Ausbau der Fusionsforschungsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald abgeschlossen, der Experimentierstart ist im Herbst vorgesehen. „Wendelstein 7-X ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem kommerziellen Fusionskraftwerk“, betonte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei ihrem Besuch im IPP. „Die Fusion ist eine riesengroße Chance, unsere Energieversorgung nachhaltig, sicher und unabhängig zu gestalten“. Wendelstein 7-X, die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator, hat die Aufgabe, die Kraftwerkseignung dieses Bautyps zu untersuchen. Die Anlage soll das große Plus der Stellaratoren vorführen, die Fähigkeit zum Dauerbetrieb.

Die wichtigsten europäischen Forschungsreaktoren sind die Tokamak JET in Culham in Großbritannien und ASDEX Upgrade in Garching bei München sowie der Stellarator Wendelstein 7-X in Greifswald. Das zurzeit größte Projekt ist der internationale Forschungs­reaktor ITER, ein Tokamak, der seit 2007 in Cadarache in Südfrankreich im Bau ist. Auch andere Fusions-Ansätze werden weiter verfolgt, wie lasergestützte oder Z-Pinch als Methode zur Zündung der Trägheitsfusion.

Mit der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren erhofft man sich die Erschließung einer praktisch unerschöpflichen Energiequelle ohne das Risiko katastrophaler Störfälle und ohne die Notwendigkeit der Endlagerung langlebiger radioaktiver Abfälle.

 

Dipl.-Ing. Eckart Schlenker

 

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